Lebendige Erinnerung an Pirnas Textil-Industrie – Besuch ehemaliger ungarischer Vertragsarbeiter
Organisiert wurde diese Begegnung u. a. vom heute in Großenhain ansässigen Stadtrat Tibor Berta (vgl. Sächsische, 26.08.2024). Den zu Fuß durchwanderten historischen Stadtkern haben jene, die erstmals seit der Wende nach Pirna zurückgekehrt sind, kaum wiedererkannt. Dass sich aber auch Sorgen hinter den vielfach makellosen Fassaden eingenistet haben, dürfte ihnen ebenso wenig entgangen sein. Der Leerstand in den Ladenstraßen ist dafür bereits zu unverkennbar geworden. Am Standort des ehem. Kunstseidenwerkes im Gewerbegebiet an der B 172 trafen sich die Busreisenden zum nostalgischen Fotostopp. Kunstseide aus Pirna steckte einst in Damenunterwäsche oder Herrenzwirn, Teppich oder Autoreifen. Kunstseide aus der Elbestadt war ein Exportschlager (zit. nach DNN, 21.01.2015).
In Gesprächen mit dem Vertreter der Stadtverwaltung, dem die kleine Geste einer Begrüßung im Auftrag des Oberbürgermeisters mit Tokajer und Paprikapulver gedankt worden ist, wiesen die anwesenden Senioren u. a. auch darauf hin, dass sich die in der DDR unter schwersten Bedingungen geleistete Arbeit offenbar nicht adäquat bei der Berechnung ihrer heute in Ungarn zu beanspruchenden Rente auswirkt. So schilderte ein noch heute gelegentlich als Schlosser tätiger Mann weit im Pensionsalter, dass ihm zu Hause nur 300 € Rente ausgezahlt würden. Wie dies in einem vermeintlich vorbildlich integrierten Europa möglich ist, erschließt sich den Betroffenen wohl nur schwerlich.
Die Weiterfahrt führte die Gäste nach Neustadt in Sachsen, wo die dortigen Landsleute mit hilfreicher Unterstützung durch Bürgermeister Peter Mühle ein traditionelles Kesselgulasch-Essen vorbereitet hatten.
Timo Backofen
Fachgruppenleiter Büro des Oberbürgermeisters