Henning Kreitels "Der Mord an der Mühle. Barthels erster Fall" - Rezension zu Kreitels erstem Kriminalroman
Henning Kreitel: Der Mord an der Mühle. Barthels erster Fall. Erschienen im Mitteldeutschen Verlag, Halle/Saale, 2024
August Barthel - gefühlt schon immer Bürgerpolizist, aber jetzt erst wieder südlich von Dresden in der Sächsischen Schweiz tätig und vertraut mit den Nachbarn, guten, bösen, neuen und fragwürdigen Menschen - zieht sofort tief hinein in den Liebethaler Grund mit dem großen Wagner-Denkmal direkt am Ufer der Wesenitz. Am Sonntag, bei Sonnenaufgang geht er wandern, „seine neue alte Heimat wieder kennenzulernen“. Was auch sonst in dieser anziehenden, beschaulichen Gegend? Heute solls planmäßig raus aus seinem 800-Seelen-Mihlsdorf gehen, hoch zum „Breiten Stein“. Es braucht keine zwei Seiten in Kreitels erstem Kriminalroman, als Barthel - tief verwurzelter Dorfpolizist - ins treibende Spiel von Fragen und Antworten kommt. Fragen von einfachen Leuten und ein martialischer Schrei eines Mannes, den er selbst gehört hat, treiben ihn, ehrgeizig ums Wohl der Mihlsdorfer bemüht, tiefer und tiefer auf allen denkbaren Wegen hinein zum Grund mit allem Erschrecken, allem Neuen wie dem Puff im betulichen Tal. Die schöne Nationalparkwärterin, wildgewordene Hunde, wortreiche Ansagen von Papageien, das leckere Gebäck wie das verhängnisvolle Pilzragout, die Garage als Lebensraum, die rote Haarsträhne und viele weitere offensichtliche Indizien aus Wildkamera & Co. hinterfragt er, vielleicht nicht immer zum passenden Zeitpunkt, aber hier wie da verständlich und anpackend. Eine Woche in Barthels Polizistendasein „sehen wir der Soße beim Brodeln zu“, erahnen ob des Techtelmechtels die Lust an der Rache. Barthel lots sich und die Leserschaft durch die Welt, die auch im Elbsandstein nicht ganz in Ordnung ist, und bringt Schritt für Schritt nicht nur Wagnerianern ein dunkles Geheimnis zu Tage. Schlussendlich retten im Höhepunkt des Grauens in der von Verwesungsgestank erfüllten, ausweglosen Höhle hinter sich überlappenden Felsen längst getrocknete Menschenknochen das Leben des Wachmeisters und wohl einiger anderer, die der Mörderin mit ihrem über Jahrzehnte und einige Menschenleben hinweg sicher geglaubten Versteck letztmalig begegnet wären. Der Leser atmet auf, dass Barthel - als nicht allzu gewiefter, aber unbedingt sympathischer Kriminologe – doch irgendwie am Leben bleibt. Barthel gibt nicht auf, Barthel findet - allen Tatverdächtigen gegenübergestellt - einen Weg und entwickelt dabei übermännliche Kräfte. Er entkommt mit geschundenem Körper und Gift im Bauch dem hinterlistigsten Mordversuch durch eine nicht allzu zarte Zierliche. Nach hinlänglicher Ermittlung auf eigene Faust und Rettung von und mit dem nicht sonderlich gemochten Chef, kann Barthel mit unanfechtbarer Beweisführung die Mörderin stellen. Schließlich sichert Barthel wieder Leben und Ordnung für alle im Tal und in der Gegend. Bis auf weiteres. Denn klar ist noch nicht, wie glücklich die Mihlsdorfer in Zukunft sein werden mit dem neuen Bau, dem Bordell am Fluss, der Hufeisennase, den Wanderern und Wissenschaftlern, dem Göttlichen und dem „Fluch, der auf der alten Lochmühle lastet“ insbesondere, wenn der betrogene Teufel wieder ins Wesenitztal kommt.
Fakt ist: Wenn Leser beim Lesen das Gefühl haben, Barthel kennt auch sie und sie kennen Barthel oder sie seien ihm neulich begegnet, wird es so sein, dass es sich zweifellos lohnt, Barthels Spur aufzunehmen und ihn weiter durchs Elbland zu verfolgen, durch alles Hickhack hindurch.
Und ganz klar an die große Glocke gehängt: Kreitels Regionalkrimi ist angenehm, leicht und im Fokus auf Barthel mit einem Lächeln zu lesen. Es sind dreißig Kapitel voll Spannung und Zuneigung, Lokalkolorit inklusive. Kühn, verständlich und überzeugend, was der Gendarm von Mihlsdorf treibt. Geeignet für Lese-Anfänger und -Fortgeschrittene des regionalen Grusels. Für leidenschaftliche Wagnerianer und Interessenten lokaler Musikgeschichte sowie Liebhaber von Flüssen und Landschaften der Sächsischen Schweiz mit Lust auf Neu- und Wiederentdeckungen.
Empfehlung der StadtBibliothek Pirna, die im Roman selbst eine Rolle spielt und Kriminalpolizist Barthel mit Recherchen unterstützt sowie im echten Leben zu Henning Kreitels erster Lesung „Der Mord an der Mühle“ am 19.10.2024 in die StadtBibliothek Pirna einlädt. (Anja Habelt, 13.10.2024)